Yes, Your Grace: Review - Indie-Adventure trifft Mittelalter-RPG (2024)

Wer glaubt, als König würde man nur auf dem Thron rumlümmeln und das schöne Leben genießen, wird in Yes, Your Grace eines Besseren belehrt. Der ungewöhnliche Mix aus Mittelalter-Simulation, Adventure und Rollenspiel lässt uns die Last der Krone heftig spüren, indem uns das Spiel von früh bis spät mit kniffligen Entscheidungen konfrontiert. Das Gameplay ist simpel, oft sogar eintönig - und hat uns im Test trotzdem bis zum Abspann motiviert.

Retro Royal

Mit seiner grobpixeligen Aufmachung könnte man Yes, Your Grace glatt für ein klassisches Point-and-Click-Adventure halten. Ein Trugschluss! Zwar müssen wir im Spielverlauf tatsächlich ein paar Items suchen und im Inventar kombinieren, doch das macht nur einen winzigen Teil der Spielerfahrung aus. Die meiste Zeit verbringen wir nämlich im Thronsaal, wo wir unzufriedene Untertanen zur Audienz empfangen. Während einige Bürger nur bescheidene Wünsche haben, treiben uns andere direkt die Sorgenfalten ins Gesicht: Da klagen aufgebrachte Bauern beispielsweise über wildernde Banditen und verlangen eine Entschädigung. Anderen bleibt die Ernte aus, sie flehen um Korn, um ihre Familien zu ernähren. Kurz darauf bettelt uns ein Vater um Lösegeld an, mit dem er seine entführte Tochter freikaufen will. Oder ein Wirt will eine Taverne eröffnen und bittet um das nötige Startkapital, verspricht im Gegenzug aber eine kleine Gewinnbeteiligung.
Quelle: Brave At NightKöniglicher Alltag: Im Thronsaal empfangen wir Untertanen zu Audienzen und treffen Entscheidungen.So geht es Tag für Tag. Für jeden Antrag müssen wir eine Entscheidung fällen, die sich manchmal schon am nächsten Morgen, oft aber erst spät auswirkt: Gold oder Nahrung locker machen? Das Gesuch ablehnen und dafür Treuepunkte verlieren, die schnell zu geringeren Steuereinnahmen führen? Oder einen von drei kostbaren Agenten losschicken, die das Problem für uns lösen, dafür aber eine ganze Stange Geld einstreichen? Schnell müssen wir feststellen: Die Mittel reichen hinten und vorne nicht. Da wir die Bittsteller in festgelegter Reihenfolge empfangen, sehen wir nicht auf einen Blick, wer was von uns wünscht, das erschwert das Einteilen der knappen Ressourcen. Immerhin: Wer sich arg verschätzt, kann auf automatische Checkpoints zurückgreifen, die für jeden Spieltag angelegt werden.

Düstere Zeiten

Doch Yes, Your Grace ist mehr als nur eine wilde Anhäufung von Audienzen, denn das Spiel wird in erster Linie von seiner ordentlichen Story zusammengehalten: Schon nach wenigen Spielminuten zeichnet sich Krieg ab, der unser gesamter Königreich bedroht. Da es uns aber am Mitteln und Truppen fehlt, bitten wir andere Regenten um Hilfe, die wir auch prompt bekommen - allerdings nur für eine heftige Gegenleistung. Und dann kommt alles ganz, ganz furchtbar. Für uns, für unser Reich, für unsere Familie. Game of Thrones lässt schön grüßen.
Quelle: Brave At NightDie Königin hilft euch dabei, eure Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.Interessant ist dabei die Art und Weise, wie die Autoren mit Fantasy-Elementen umgehen. Monster, Sagen und Zauberei erscheinen in der Geschichte anfangs noch so allgegenwärtig wie in The Witcher zu sein, doch in den allermeisten Fällen entpuppen sie sich als schierer Aberglaube. Durch Aufklärung zum Sieg? Ein spannender Ansatz, aus dem man aber noch mehr hätte machen können, was leider auf viele Ideen in Yes, Your Grace zutrifft: Immer wieder streift die Geschichte ernste, spannende Themen, bleibt dabei aber zu oberflächlich, um ihnen wirklich gerecht zu werden.

Rette uns, wer kann!

In den nächsten fünf bis acht Stunden sind wir viel mehr damit beschäftigt, das Schlimmste zu verhindern oder besser: das Nötigste zu retten. Denn obwohl Yes, Your Grace auch seine heiteren Seiten hat, fühlten wir uns im Test zunehmend hoffnungslos. Die Vorräte wurden knapp, der Aufbau einer Armee zu kostspielig, selbst die bitter nötigen Agenten konnten wir nur noch in Notfällen einsetzen. Und kaum als wir dachten, die Lage endlich ein bisschen im Griff zu haben, verpassten uns überraschende Story-Wendungen ein paar saftige Tritte in die Weichteile.

Richtig spannend wurde es beispielsweise, als wir einen Mord aufklären und dazu allerlei Verdächtige und Informanten befragen sollten. Für die Ermittlungen blieb uns nur wenig Zeit, manche Aktionen führten ins Leere - und am Ende fehlten uns wichtige Beweise. Wer war in den Mord verstrickt? Haben wir den richtigen Mann verurteilt? Was wir auch taten, es fühlte sich falsch an. Und das ist vom Spiel voll beabsichtigt.
Quelle: Brave At NightAlles beginnt mit einer dramatischen Belagerung. Erst spät erfahren wir, wie es so weit kommen konnte.Während wir uns auf das dramatische Finale zubewegten, malten wir uns unser Schicksal bereits in den dunkelsten Farben aus. Wie die Geschichte für uns ausging, verraten wir natürlich nicht! Nur soviel: Es gibt mehrere mögliche Endsequenzen. Welche man erreicht, hängt allerdings von weniger Entscheidungen ab, als wir anfangs dachten, denn tatsächlich sind viele Story-Wendungen von den Entwicklern vorgegeben. Oft genügt es daher schon, sich finanziell irgendwie über Wasser zu halten und nur das Nötigste zu erledigen - den Rest treibt die Story ohnehin voran. Auch die wenigen großen Schlachten, die wir im Spielverlauf meistern müssen, laufen nur in Dialogform ab, taktisch agieren dürfen wir hier nie. Die Szenen bereichern zwar die Erzählung, doch spielerisch sind sie dafür die reinsten Einbahnstraßen.

Fade Routine

Yes, Your Grace ist also kein offener Simulator oder ein vollwertiges Rollenspiel, nahezu alles geschieht in festgelegter Abfolge. Zwischen Audienzen und Story-Ereignissen wartet außerdem stets der gleiche Alltag am königlichen Hof: Mit unserer Spielfigur klicken wir uns durch eine Handvoll Räume, in denen ab und zu ein Familienmitglied darauf wartet, mit uns ein paar Sätze zu wechseln. Sprachausgabe gibt es dabei nicht, alle Figuren geben nur unverständlichen Kauderwelsch von sich, um die Dialoge ein wenig zu untermalen. Das ist zwar alles andere als stimmungsvoll, doch dafür kann Yes, Your Grace immerhin mit einer richtig hübschen Musik-Untermalung punkten, die für dichte Mittelalter-Atmosphäre sorgt.
Quelle: Brave At NightEin wichtiger Teil der Handlung widmet sich euren Töchtern, doch leider greifen gerade hier viele Dialogoptionen zu kurz.Die Gespräche sind zwar interessant und (zumindest in der englischen Fassung) gut geschrieben, bieten aber leider nur wenig Möglichkeiten: Warum können wir nicht selbst entscheiden, wann wir wichtige Ereignisse ansprechen oder hilfreiche Hintergrundinfos aus den Charakteren rauskitzeln? Hier verschenken die Entwickler viel Potenzial.

Quelle: Brave At NightFür manche Aufgaben müsst ihr eure Agenten auch mal zu umliegenden Orten schicken.Das gilt auch für die Möglichkeit, für andere Adelige kleine Aufgaben zu erfüllen, damit sie mit uns Allianzen eingehen. Der eine Herrscher will beispielsweise eine Art von Drogenhandel am Hof erlauben, der andere macht sich für ein striktes Verbot stark. Erfüllen wir ihre Bedingungen, sichern wir uns ihre Gefolgschaft, etwa in Form von Truppen oder Ressourcen. Gelingt uns das nicht, fällt die Figur einfach flach und nimmt nicht länger an der Geschichte teil. Auch können wir keine alternativen Lösungswege entwickeln, es ist beispielsweise nicht möglich, jemanden zu hintergehen oder zu bestechen, sofern es die Story nicht vorsieht. Dynamische Ränkespiele kommen da leider nicht auf, was auch dem Wiederspielwert schadet: Mit offenerem Gameplay und größerer Entscheidungsfreiheit hätte Yes, Your Grace sicher auch genug Stoff für zwei oder drei Anläufe geboten. So dürfte es für die meisten Spieler aber bei einem Durchgang bleiben.

Yes, Your Grace ist für PC über Steam oder GOG erhältlich, der Preis liegt bei 17 Euro. Für rund 8 Euro bekommt ihr den Soundtrack, das Bundle aus Spiel und MP3-Album kostet euch knapp 23 Euro.

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